Stephan Ronge

Meine Arbeitsweise

Was sehe ich? Was erinnere ich als Betrachter der Krater, der ein Bild machen will? Ich sehe eine Vertiefung im umgebenden Erdniveau, vielleicht noch einen umlaufenden kleinen Wall. Nahezu immer findet sich kein oder kaum Bewuchs im Krater. Möglicherweise Wasser in der Mitte. Ich erinnere die Erzählungen meiner Mutter über die ersten Bombardierungen Dortmunds und ihre Folgen: Zerstörung, Leid, Angst, Flucht, Tod! Ich erinnere, dass sich in modernen Zeiten die Antriebsmittel (Raketen/Drohnen) geändert haben und die Zielgenauigkeit zugenommen hat. Der Himmel ist im Wortsinne als Wegbereiter geblieben.

Eine ästhetische Transformation der Krater will mir nicht recht gelingen ohne Anleihen und auch die Integration von Text in Form von Bildtiteln. Ich hole mir Hilfe in der Kunstgeschichte. Da wären u.a. Dürer, Goya, Picasso, Masereel, Dix und verschiedene Fotografen. Dort wird der Krieg – und Bomben sind ab dem 20. Jahrhundert ein wesentliches Mittel des Krieges – auf den Begriff gebracht. Dieser lautet: Menschliches Leid ohne jedes Heroische. Er stiftet gleichzeitig die Grundempfindung meines Bedeutungskonzeptes. Andreas Gryphius beschreibt es im Gedicht „Tränen des Vaterlandes“ von 1643 (30-jähriger Krieg) bemerkenswerterweise als Verlust der Seele.

Auf dieser Basis haben sich für mich drei Zugangsweisen kristallisiert: Die Inszenierung mit unterschiedlichen Mitteln, die Montage einer weiteren Deutungsebene, Festhalten von Vorgefundenem mit gängigen fotografischen Mitteln. Alle drei Zugänge müssen sich schließlich mit meinen Titeln arrangieren und treten selten rein auf. Meist mischen sie sich in den konkreten Bildern. Durch diesen Methodenmix ergibt sich der Eindruck eines gewissen Eklektizismus, den ich aber um der thematischen Annäherung Willen gerne in Kauf nehme.

Die Inszenierung ist eine Bedeutungsmanipulation mit klassischen fotografischen Mitteln: Licht, Perspektive, Schärfe, Kamerabewegungen. Das gezeigte Bild entsteht während der Aufnahme. Da Fotografie – eine mit künstlerischen Freiheiten ausgestattete zumal – ein schöpferisches Medium ist, nehme ich mir die Freiheit, dem Boden („Ground“) das oben noch abgesprochene Bewusstsein zu unterstellen. Wodurch könnte es zum Ausdruck kommen? Ich lasse den Boden fragen Stellen, Angst haben, sich bewegen und sogar beten.

Die Montage setzt im vorliegenden Falle zwingend mindestens einen weiteren Arbeitsprozess am Computer voraus. Außerdem liegt ihr eine zweite Bildauswahl zugrunde. Durch die technischen Mittel der digitalen Bildbearbeitung werden Folien ähnlich Bildebenen, die in sich auch schon bearbeitet sein können, unter anderem auch mit Hilfe von sogenannter künstlicher Intelligenz, übereinandergelegt und verrechnet. Ziel hierbei ist nicht allein die Bild-, sondern die Bedeutungsmontage. Abgebildete Realien bekommen einen anderen Kontext.

Das Vorgefundene mag die originäre fotografische Arbeit sein. Sie ist am schwersten in das Bedeutungskonzept zu integrieren, weil die Krater unspektakulär, ja gewöhnlich sind. Sie sind nicht gut oder schlecht. Sie sind nur da. Durch die Bildtitel versuche ich Narrative anzustoßen, indem ikonografische – und Strukturelemente der Bilder mit Fähigkeiten oder Eigenschaften verknüpft werden. Die Titel werden an subjektive Wahrnehmung gebunden vergeben. Gelegentlich existieren sie bereits vor der Fertigstellung eines Bildes. Meine Hoffnung ist, dadurch die Flächen der Bilder zu assoziativen Räumen zu erweitern, die den die Thematik streifenden Gang der Betrachtenden erleichtern.


Vita

Stephan Ronge studierte Lehramt für Grund- und Hauptschulen mit Wahlfach Kunst und Diplompädagogik mit Schwerpunkt ästhetische Bildung. Zu fotografieren war immer ein Hobby, das erst seit 2008 auf der Basis des digitalen Prozesses vom Bildmachen zum Selbstdrucken ernsthafter betrieben wird. Eine professionelle Anwendung stand nie zur Debatte. Die Mitgliedschaft in der Fotokunst AG Lüdinghausen brachte schließlich den kommunikativen Kontext für eine systematische Auseinandersetzung mit dem Medium und der Kunstform Fotografie.